Bewahren erfordert den Mut zum Verändern – Stabilität und Vermögenserhalt in familiengeführten Unternehmen
Heft 22 der Schriftenreihe des Instituts
Sie ist eine der bekanntesten deutschen Privatbanken: das Bankhaus B. Metzler seel. Sohn & Co. 1674 gegründet, liegt seine Führung seit 1971 in den Händen von Friedrich von Metzler, dem Repräsentanten der 11. Generation. Worauf es ankommt, wenn eine Familie ihr Unternehmen über lange Zeit erfolgreich durch die Untiefen politischer und wirtschaftlicher Umbrüche steuern will, findet hier Antworten. Dazu gehört der Mut zur Veränderung. Nichts bleibt wie es ist – und es zeichnet den Unternehmer aus, darauf adäquat zu reagieren.
Leseprobe
Seit 340 Jahren verschmolzen: Familie und Bank
Seit 340 Jahren besteht das Bankhaus Metzler nunmehr; damit ist es die älteste deutsche Privatbank in ununterbrochenem Familienbesitz. Dazu trug entscheidend das Selbstverständnis der Familie bei: Kern der Familienidentität war stets das erfolgreiche Unternehmen. Die Bank hält die Familie zusammen, und die Familie hält die Bank zusammen – ein Axiom, das allerdings einiger Richtlinien bedarf. Sie werden über Generationen weitergegeben und sind so zum innerfamiliären Verhaltenskodex geworden. Umfangreiche Vertragswerke oder eine Familienverfassung gibt es nicht.
Kernelemente dieser Richtlinien sind:
Vorrang vor der Gewinnentnahme hat die Stärkung der Eigenkapitalbasis des Unternehmens durch Erhöhung der stillen Reserven. So lässt sich am besten sicherstellen, dass die Bank unabhängig und somit folgenden Generationen erhalten bleibt.
Wer nicht in der Bank arbeitet, soll seine Anteile an ein Familienmitglied verkaufen. Entscheidet sich ein Familienmitglied für die Bank, kann es Anteile der anderen Familienmitglieder zu einem fairen Preis kaufen. Anteilseigner, die ausschließlich an der Dividende interessiert sind, gibt es somit nicht.
Ein Freund unserer Familie, selbst Familienunternehmer, hat diese Regel einmal etwas ironisch auf den Punkt gebracht: Entscheidet sich ein Mitglied der Metzler-Familie für die Bank, ist sein Geld gebunden, und er muss viel arbeiten. Wer sich dagegen entscheidet, hat Geld und braucht nicht so viel zu arbeiten. Genauso ist es! Aber möglicherweise haben sich unsere Regularien gerade deshalb bewährt, weil eine Entscheidung für die Bank immer auf einer starken Motivation beruht und von hohem Verantwortungsgefühl getragen ist.
Ein wichtiger Aspekt dieser Richtlinien besteht darin, den Kreis der Teilhaber – und damit der Entscheider – möglichst klein zu halten. Ein Aspekt, der nach meiner Meinung für viele familiengeführte Unternehmen sinnvoll sein kann. Je kleiner der Entscheiderkreis, desto leichter fällt die Einigung, und desto flexibler und schneller gestaltet sich die Entscheidungsfindung. Dabei ist selbstverständlich zu beachten, dass alle Köpfe mit operativer und strategischer Verantwortung im Entscheidergremium vertreten sein sollten.
Erbe verpflichtet – das komplexe Thema der Unternehmensnachfolge
Die Weitergabe eines Unternehmens an die kommende Generation ist ein hochkomplexer Vorgang, der gründlich durchdacht und vorbereitet sein will. Die nachkommende Generation sollte schon früh mit dem Unternehmen vertraut gemacht werden – so erfährt sie, welche Möglichkeiten sich durch das Erbe eröffnen, aber auch, welche Verantwortung damit einhergeht. Am Anfang sollten Neugier und Wissbegierde stehen, was sich nur frei und zwanglos vermitteln lässt. Wie schon in meinem Elternhaus, drehten sich viele Tischgespräche auch mit unseren Kindern um die Bank – und ich hoffe, sie erkennen meine Leidenschaft für das Geschäft ebenso, wie ich sie bei meinem Vater gespürt habe. Der nächste Schritt für die Übergabe des Staffelstabs ist die Ausbildung: Der jungen Generation ein fundiertes Wissen mitzugeben, ist selbstverständlich. Neben Menschenkenntnis gehört vor allem die Fähigkeit zur Selbstdisziplin dazu, sollten eines Tages Führungsaufgaben übernommen werden. Denn wer sich bereit erklärt, in der Bank mitzuarbeiten, muss intensiv dafür arbeiten. Kommen zu Qualifikation und Talent noch Interesse und Leidenschaft hinzu, sind das die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nachfolge. Schließlich gilt für Kinder, die eine Nachfolge antreten, der hohe Anspruch, den Goethe im „Faust“ formuliert: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen“.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, den richtigen Zeitpunkt zur Übergabe zu bestimmen. Ein höheres Eintrittsalter kann von Vorteil sein, denn fundiertes Fachwissen, Führungsqualität und menschliche Reife sind unbedingt erforderliche Eigenschaften für die erfolgreiche Leitung eines Unternehmens. Andererseits ist ein junger Mensch nicht nur dichter an den Themen der Zeit, sondern bringt auch frische Ideen und unverbrauchten Elan mit. Hier gilt es behutsam abzuwägen. …