Die internationale Unternehmerfamilie. Wesentliche Aspekte bei der Planung internationaler Mobilität

Unternehmerfamilien zählen zu den Pionieren der Internationalisierung. Temporäre oder dauerhafte Wohnsitze im Ausland sind keine Seltenheit, die Kinder besuchen dort Schulen und Universitäten oder sammeln berufliche Erfahrung. Das hat auch den deutschen Fiskus auf den Plan gerufen. Andreas Wiedemann und Florian Reinhart gehen auf die steuerlichen Folgen von Auslandsaufenthalten etc. ein – ab dem Jahr 2022 wird beispielsweise die Wegzugsbesteuerung erneut verschärft – und empfehlen entsprechende Vorkehrungen.

 

Leseprobe

3.    Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung

Die Regelung zur Wegzugsbesteuerung in Paragraph 6 Außensteuergesetz gilt für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im Umfang von mindestens einem Prozent des Stamm- bzw. Grundkapitals. Das Außensteuergesetz erfasst sowohl Kapital-gesellschaften nach deutschem Recht (GmbH, AG, „deutsche“ SE) als auch vergleichbare ausländische Rechtsformen (z.B. englische Limited, französische S.A. oder S.A.R.L.). Auch der Sitz der Kapitalgesellschaft spielt keine Rolle, sodass beispielsweise auch die Beteiligung an einer Schweizer AG von der deutschen Wegzugsbesteuerung erfasst werden kann.  

Die Beteiligung muss außerdem steuerlich im Privatvermögen gehalten werden, darf also nicht zu einem Betriebsvermögen gehören (z.B. als Sonderbetriebsvermögen oder im Rahmen einer Betriebsaufspaltung).1

Weitere Voraussetzung des Paragraphen 6 Außensteuergesetz in der ab 1. Januar 2022 geltenden neuen Fassung ist, dass der Gesellschafter in den letzten zwölf Jahren vor dem Wegzug mindestens sieben Jahre unbeschränkt in Deutschland steuerpflichtig gewesen ist. Unbeschränkte Steuerpflicht liegt vor, wenn eine Person ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Hat der Gesellschafter die Anteile unentgeltlich erhalten, sind auch die Zeiten der unbeschränkten Steuerpflicht seiner Vorgänger als Gesellschafter zu berücksichtigen. Auf die Staatsangehörigkeit des Gesellschafters kommt es aus deutscher Sicht nicht an. 

Allerdings gilt Paragraph 6 Außensteuergesetz nicht für alle Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Namentlich für sogenannte „alt-einbringungsgeborene“ Anteile gibt es ältere Sonderregelungen, die teils deutlich nachteilig zu den „allgemeinen“ Regeln der Wegzugsbesteuerung sind2. Ob alt-einbringungsgeborene Anteile vorliegen, muss mit den steuerlichen Beratern geklärt werden. Außerdem muss beachtet werden, dass bei vorangegangenen Umwandlungen auch in neuerer Zeit Sperrfristen laufen können, die durch einen Wegzug ins Ausland verletzt würden.

4.    Wegzug und gleichgestellte Fälle

Die Fälle der Wegzugsbesteuerung wurden in der zum 1. Januar 2022 in Kraft tretenden Neufassung des Paragraphen 6 Außensteuergesetz weitgehend neu formuliert. Die bisher in fünf Fälle ausdifferenzierte Regelung wurde in drei Grundfällen zusammengefasst. Im Einzelnen werden – wie bislang auch – folgende Konstellationen als Wegzug erfasst oder dem Wegzug gleichgestellt:

a)   Wegzug „im engeren Sinne“

Grundfall für ein Eingreifen der Wegzugsbesteuerung ist die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht des steuerpflichtigen Gesellschafters durch Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland. Da nach dem Einkommensteuergesetz eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland besteht, falls die betreffende Person ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, tritt die Wegzugsbesteuerung nur ein, wenn diese Person, beispielsweise ein Gesellschafter, nach dem „Wegzug“ beide Bezüge zu Deutschland vollständig verloren hat.      

Da eine Person mehrere Wohnsitze (im In- und Ausland) haben kann, liegt die Aufgabe des Wohnsitzes (nur) dann vor, wenn die Wohnung in Deutschland vollständig aufgegeben wird, oder die Umstände darauf schließen lassen, dass die Wohnung nicht mehr benutzt wird. Wird die Wohnung nicht vollständig aufgegeben, ist letztlich stets eine Beurteilung im Einzelfall notwendig. Studenten beispielsweise sollen auch bei mehrjährigen Auslandsaufenthalten einen Wohnsitz im Elternhaus aufrechterhalten können, wenn zumindest die studienfreie Zeit in Deutschland verbracht wird; es kann aber eine Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts vorliegen.     

Der gewöhnliche Aufenthalt (im steuerlichen Sinne) einer Person liegt dort, wo sie „nicht nur vorübergehend verweilt“. Anders als beim Wohnsitz kann eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ob ein Aufenthalt vorübergehend ist, ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls. Die – ohnehin kaum zu beweisende – Absicht genügt nicht. Eine erste, allerdings nur grobe Orientierung bietet die „Sechsmonatsgrenze“. Nach der gesetzlichen Regelung ist ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland anzunehmen („gesetzliche Fiktion“), wenn sich der Steuerpflichtige für einen Zeitraum von sechs Monaten zusammenhängend (mit nur kurzen Unterbrechungen) in der Bundesrepublik aufhält. Hält sich ein Steuerpflichtiger mehr als sechs Monate am Stück im Ausland auf, gibt es aus deutscher Sicht keine „umgekehrte“ Fiktion. Dieser Umstand kann jedoch zumindest ein Indiz sein, das aber im Einzelfall (etwa bei den bereits genannten Fällen des Auslandsstudiums) von anderen Faktoren verdrängt werden kann.

 

[1]    Zu den abweichenden Fällen vgl. II.

[2]    Vgl. hierzu unter III.