Innovative Gestaltungen zur Incentivierung und Neuordnung des Gesellschafterkreises von Familienunternehmen

Noch in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg war die Regelung der Nachfolge Sache der älteren Generation. Die Jüngeren hatten die Ergebnisse hinzunehmen. Um sie heutzutage in einer Unternehmerfamilie der 3. oder 4. Generation und bei starker Beteiligungszersplitterung sinnvoll und standfest zu gestalten, kann es gezielt eingesetzter Anreize bedürfen, um eine erfolgreiche Führung durch Familienmitglieder oder Externe zu sichern. Tobias Hueck und Michael Tommas zeigen, welche das sind und welche Instrumente genutzt werden können.

 

Leseprobe

B. Incentivierung von Gesellschaftern

I. Mögliche Interessenkonflikte zwischen aktiven und nicht-aktiven Gesellschaftern

In der Unternehmensleitung aktive Gesellschafter tragen Verantwortung für die Entwicklung und den Erfolg des Unternehmens. Sie treffen die Entscheidungen des täglichen Geschäfts, entwickeln die Unternehmensstrategie und haben einen umfassenden Einblick in interne Abläufe und die Marktposition des Unternehmens. Sie sind gut informiert über die finanzielle Lage und die allgemeine Entwicklung des Unternehmens. Im Gegensatz dazu sind nicht-aktive Gesellschafter weiter vom operativen Geschehen entfernt und haben weniger Einfluss. Ihr Zugang zu unternehmensbezogenen Informationen ist begrenzt und sie sind auf regelmäßige Kommunikation durch die aktiven Gesellschafter angewiesen. Hieraus können unterschiedliche Interessenlagen und Herausforderungen entstehen. Die Informationsasymmetrie kann Vorbehalte entstehen lassen und zu Unzufriedenheit unter den Gesellschaftern führen. Gelegentlich fürchten nicht-aktive Gesellschafter, die in der Leitung tätigen Gesellschafter könnten ihren Einfluss auf Kosten der nicht-aktiven Gesellschafter ausnutzen. Auch könnten jene sich beispielsweise Privilegien zum privaten Vorteil verschaffen, die indirekt von den nicht-aktiven Gesellschaftern mitgetragen werden.

Des Weiteren gibt es zwischen aktiven und nicht-aktiven Gesellschaftern nicht selten unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich der strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Recht oft ist zu beobachten, dass in der Geschäftsführung tätige Gesellschafter Gewinne eher im Unternehmen belassen und damit die Liquiditätsbasis und Investitionskraft des Unternehmens stärken möchten. Nicht-aktive Gesellschafter betrachten das Unternehmen dagegen häufiger vorwiegend als Kapitalanlage und plädieren für höhere Ausschüttungen. Dies manchmal schon deshalb, weil sie anders als aktive Gesellschafter kein Gehalt aus dem Unternehmen beziehen und auf Ausschüttungen oder Entnahmen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes angewiesen sein können. Je größer der Gesellschafterkreis ist und je weiter die einzelnen Gesellschafter vom Unternehmen entfernt sind, desto größer ist das Risiko, dass diese das Familienunternehmen nur noch aus Investorensicht betrachten.

Neben der Zersplitterung des Gesellschafterkreises spielen oftmals unterschiedliche Beteiligungshöhen eine Rolle. So sind Konflikte zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern vorgezeichnet, wenn die Minderheit im Zusammenhang mit Ausschüttungen oder Kapitalerhöhungen übervorteilt wird. Umgekehrt kann es natürlich ebenso gut zu Konflikten kommen, weil die Minderheit durch Ausübung ihrer Rechte Entscheidungen der Gesellschaftermehrheit blockiert.

C. Ausscheiden von Gesellschaftern

I. Ermöglichung des Ausscheidens als Herausforderung

In wachsenden Gesellschafterkreisen kommt es immer wieder zu Situationen, in denen einzelne Gesellschafter ausscheiden möchten. Sei es aufgrund von Veränderungen der persönlichen Verhältnisse (z.B. Wegzug ins Ausland), aufgrund von Liquiditätsbedarf oder auch aufgrund von Meinungsverschiedenheiten. Zwar sollte den Gesellschaftern aus Rücksicht auf das Unternehmen ein Ausstieg nicht allzu leicht und attraktiv gemacht werden, dennoch ist es grundsätzlich ratsam, das Ausscheiden zu ermöglichen und dafür ein geordnetes Verfahren vorzusehen. Denn unzufriedene Gesellschafter verheißen für das Unternehmen in der Regel nichts Gutes.

II. Instrumente und Gestaltungen

1. Anteilsverkauf oder Kündigung

Möglich ist zunächst, dass Mitgesellschafter Anteile von den ausscheidewilligen Gesellschaftern übernehmen. Dafür sind entsprechende Kauf- und Übertragungsverträge zu schließen. Alternativ können gesellschaftsvertraglich Kündigungsrechte zugunsten der Gesellschafter eingeräumt werden, die ein Ausscheiden gegen eine vom Unternehmen zu zahlende Abfindung ermöglichen. Bei Bemessung der Kündigungsfrist ist ein gerechter Ausgleich zwischen Unternehmens- und Gesellschafterinteresse vorzunehmen. Es sprechen gute Gründe dafür, die Kündigungsmöglichkeit in einem bestimmten Turnus wiederkehrend zu eröffnen. Allerdings wäre eine jährliche Kündigungsmöglichkeit aufgrund des damit verbundenen Liquiditätsabflusses für das Unternehmen in der Regel ein kaum vertretbares Damoklesschwert.

Bei Personengesellschaften führt die Kündigung automatisch dazu, dass der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den verbleibenden Gesellschaftern anwächst. Bei Kapitalgesellschaften kann alternativ zur oder auch für den Fall der Kündigung die Möglichkeit einer Einziehung der Anteile vorgesehen werden. Kombiniert werden Einziehungsregelungen zur Flexibilisierung häufig mit einer Bestimmung, wonach die Gesellschafterversammlung anstelle der Einziehung die Übertragung der Anteile auf Gesellschafter oder einen benannten Dritten verlangen kann.

Schließlich kommt bei Kapitalgesellschaften auch der Erwerb eigener Anteile durch das Unternehmen in Betracht. Während eine Aktiengesellschaft eigene Aktien nur in bestimmten Fällen (z.B. für Zwecke der Mitarbeiterbeteiligung) und höchstens im Umfang von 10% des Grundkapitals halten darf, ist der Erwerb eigener Anteile bei der GmbH flexibler möglich und kann daher eine probate Alternative zur Einziehung sein. Dies gilt vor allem dann, wenn perspektivisch auch eine Weiterveräußerung des Anteils in Betracht kommt.

Die Angemessenheit eines Anteilskaufpreises bzw. einer Abfindung im Fall der Kündigung oder Einziehung von Gesellschaftsanteilen unterliegt der schenkungsteuerlichen Kontrolle durch die Finanzbehörden. Ein transparentes Bewertungsverfahren sollte daher Teil des Gesamtprozesses sein (siehe dazu auch den nachfolgenden Abschnitt).