Auch eine Frage der Einstellung – Krieg und Frieden in Unternehmerfamilien
Heft 13 der Schriftenreihe des Instituts
Ob Unternehmerfamilien einen eher friedens- oder kriegsgeneigten Umgang miteinander pflegen, ist von entscheidender Bedeutung für ihre Handlungsfähigkeit. Typische Risikoverhaltensweisen, die den Familienmitgliedern oft kaum bewusst sind, können sich in kritischer Weise verfestigen. Aber destruktives Verhalten ist kein Schicksal. Nicht von heute auf morgen, aber mittelfristig bietet die Entwicklung einer Familienkultur die Chance eines Wandels.
Leseprobe
Emotionalität
Kein Zweifel: Krieg und Frieden hängen maßgeblich von der Einstellung der Familienmitglieder zueinander ab. Mit der Emotionalität verhält es sich nicht anders. Zu übersetzen ist dieser Begriff am ehesten als Aufregungs- oder Empörungs-bereitschaft. Von ihr nimmt die Kriegsneigung oftmals ihren Ausgang und erweist sich in der Familienstrategie als schwierig zu überwindendes Hindernis. Eines ist jedenfalls auffällig und wird in der Praxis immer wieder bestätigt: Es gibt Familien, die sich gerne und oft aufregen. In ihnen herrscht eine merkwürdig offensive Atmosphäre, eine starke Sensibilisierung, die Neigung, das Handeln eines anderen als Regelverstoß aufzufassen. Wären Regeln vorhanden, ließe sich das ja einigermaßen objektiv feststellen. Hier aber fehlen sie – im Kern gründet die Emotionalität darauf, beliebigem Verhalten die Qualität eines Regelverstoßes zuschreiben zu können: ein radikaler Subjektivismus mit beträchtlicher Eigendynamik. In Ermangelung tatsächlicher und bindender Regeln kann jeder die Deutungshoheit über das Verhalten des anderen beanspruchen und es bei Bedarf skandalisieren. Dazu braucht es nicht viel. Schon ein kurzfristig aufgenommener zusätzlicher Tagesordnungspunkt für die Gesellschafterversammlung kann von einem nichttätigen zur Generalabrechnung mit dem geschäftsführenden Gesellschafter, ein Versäumnis bei der Vorbereitung für die Versammlung von diesem als Gelegenheit der öffentlichen Demütigung des nichttätigen genutzt werden.
Dabei erweisen sich die Familienmitglieder oft als glänzend eingespielt: auf ein Stichwort hin läuft ein ziemlich präzise vorhersagbares Programm ab. Empörung hier und Gegenhalten da – das bestimmt häufig den Ton und steht in umgekehrt proportionalem Verhältnis zur Fähigkeit einer Familie, Sachfragen so abzuhandeln, wie sie es verdienen, nämlich sachlich. Und wieder ist es irritierend und unerwartet zu beobachten, wie zwangsläufig das geschieht, wie sehr dieses Muster vom übrigen Verhalten der Familienmitglieder absticht.
Emotionalität ist in Unternehmerfamilien einer der effizientesten Dialogtöter überhaupt; sie ist das Mittel, das jeder bei jeder halbwegs passenden Gelegenheit mobilisieren kann. Ihre verderbliche Wirkung entfaltet sie jedoch vor allem langfristig. Diese Haltung geht einer Familie in Fleisch und Blut über, sie wird zu einem Familienhabitus, der ebenso schwierig zu ändern ist wie die schlechten Angewohnheiten eines Individuums. Das kann in eine regelrechte Abwärtsspirale führen und das Miteinander in der Familie in eine Konflikte vermeidende Passivität führen oder zu einem unerklärten Krieg machen, mit allen Gefahren, die solchen Grauzonen eigentümlich sind: das permanente Risiko einer Eskalation, mit dem die Familienmitglieder immer sorgloser hantieren und das sich folglich irgendwann realisieren wird: „Bei uns muss es jetzt mal richtig knallen!“
Ebenso typisch ist es in solchen Familien, die Emotionalität stellvertretend für den Mangel an Disziplin bei Einzelnen und in der Gruppe als Schutzbehauptung in Stellung zu bringen – man sei eben emotional, und in solchen Konfrontationen ruhig und kontrolliert zu bleiben, einfach etwas viel verlangt. Auf einen weiteren Faktor, der die Aufregungsbereitschaft befeuert – das Ressentiment – wird noch zurückzukommen sein.