Philanthropisches Engagement – Ein strategisches Instrument in Unternehmerfamilien

Heft 5 der Schriftenreihe des Instituts

Während das Heft 3 den persönlichen Erfahrungen mit familieneigenen Stiftungen gewidmet ist, wird hier das philanthropische Engagement von Unternehmerfamilien in historischer und systematischer Absicht angegangen. Die Untersuchung plädiert dafür, das vielfach freihändige gemeinnützige Wirken institutionell zu bündeln und zu einer Strategie für die Unternehmerfamilie selbst zu machen. Stiftungen schärfen ihr Profil, sie stabilisieren die Familie und fördern ihre Fähigkeit zu langfristiger Planung in übergreifenden Zusammenhängen.


Leseprobe
 


Philanthropisches Engagement als Familienstrategie
Der Trend zur Individualisierung hat die Unternehmerfamilien nicht verschont. Die Chancen auf individuelle Selbstverwirklichung sind eine gesellschaftliche Tatsache, der Anspruch darauf zum Gemeingut geworden; die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern werden loser. Als Folge sind Unternehmerfamilien immer stärker von der Entfremdung bedroht; die Verbundenheit untereinander nimmt ab. Dieser Entwicklung zu wehren, ist das natürliche Ziel der Familienstrategie. Sie tut dies, indem sie Unternehmerfamilien durch Strukturen und Regeln stabilisiert, indem die Familiencharta und Institutionen wie der Familientag und der Familienrat die Bedeutung des Verbindenden und Gemeinsamen ins Bewußtsein rücken, ihm eine Form geben und die Familie so zu einem berechenbaren Partner ihres Unternehmens macht. Um die Entfremdung in den Griff zu bekommen, ist jedoch noch etwas anderes wichtig: die emotionale Nähe zueinander und ein Stolz, dessen Quellen nicht allein auf das Unternehmen und auf die Verantwortung für die in ihm arbeitenden Menschen zurückzuführen sind. Ein philanthropisches Engagement ist ebenfalls hervorragend geeignet, Sinn und damit Stolz auf das Handeln als Familie zu erzeugen. Es kommt jedoch nicht nur darauf an, ob man es tut, genauso wichtig ist das Wie. Seine Wirkung wird um so größer sein, je mehr es strukturiert erfolgt. Es muß unternehmerisch angegangen werden, und wer sollte über diese Möglichkeit verfügen, wenn nicht Unternehmerfamilien?

 

Das philanthropische Engagement in Gestalt von Spenden, Vereinen und Stiftungen erlebt in Deutschland zur Zeit einen regelrechten Boom, wobei offen bleiben muß, inwiefern sein Potential für die Unternehmerfamilie selbst in dem tatsächlich möglichen Maß gesehen und erschlossen wird. Daher verfolgt der vorliegende Beitrag zwei Ziele: zum einen, philanthropisches Engagement zu ermutigen, dann aber auch, seine Chancen richtig zu nutzen – ein Anliegen, daß sowohl bestehende wie geplante Aktivitäten betrifft.

Zunehmende Institutionalisierung
Ein Trend zur Institutionalisierung ist bereits unverkennbar; eine Entwicklung, die auf die Reform des Stiftungsrechts zurückzuführen ist. Einige Unternehmer haben so von sich reden gemacht. Der SAP-Gründer Hasso Plattner fördert mit seiner Stiftung mehrere Universitäten, darunter das nach ihm benannte IT-Institut in Potsdam und die Universitätsbibliothek Mannheim; das gesamte Stiftungsvermögen beträgt stolze 803 Millionen Euro. Die Jackstädt-Stiftung des kürzlich verstorbenen Wuppertaler Unternehmers Werner Jackstädt setzt ihr Stiftungsvermögen von 100 Millionen Euro für die Forschung in Medizin und Betriebswirtschaftslehre wie für die Förderung von Kultur und Bildung in seiner Heimatstadt ein. Die Beispiele derartiger Großstiftungen ließen sich noch vermehren, aber wichtiger als diese Ausnahmeerscheinungen mit gewaltigen Vermögen ist die beträchtliche Anzahl der Stiftungen, die es mittlerweile in Deutschland gibt und die meist im Stillen für die Gesellschaft wirken. Für 2003 wird ihre Zahl mit rund 18.000 beziffert, Tendenz steigend. Die Stiftung ist freilich nicht der einzige Weg für Unternehmerfamilien, ihr philanthropisches Engagement zu strukturieren und zu zeigen. Die Mitgliedschaft in Vereinen, deren Tätigkeit sie durch Beiträge fördern, leisten einen ebenso bedeutenden Beitrag wie die zahlreichen Spenden. Philanthropie wirkt, das wird im persönlichen Austausch mit Unternehmerfamilien immer wieder deutlich, positiv auf sie selbst zurück. Sie stärkt den Zusammenhalt innerhalb der Familie und intensiviert den Austausch unter den Familienmitgliedern, sie vermittelt ihre Traditionen und Werte nach außen und fördert die Verbundenheit mit den Mitarbeitern.

Sie kann sogar – richtig eingesetzt – zu einem zentralen Faktor der strategischen Planung in der Unternehmerfamilie werden; ein Punkt, der selbst in den Familien, in denen das philanthropische Engagement großgeschrieben und seit Jahren in strukturierter Form betrieben wird, nicht oder nur unzureichend registriert wird.

Im folgenden wollen wir die aktuell mögliche Bandbreite philanthropischen Engagements durchmustern, einmal, um Anregungen zu geben, dann aber auch im Hinblick auf das Potential, das hier brachliegt. Dabei wird deutlich werden, daß unser Beispiel der Fugger-Stiftung nach wie vor von erstaunlicher Aktualität ist, aber das Thema natürlich nicht zur Gänze erschöpft.

Formen philanthropischer Engagements
Zunächst einmal: was ist philanthropisches Engagement? Der zeitgenössische Begriff der Philanthropie geht über das bisher beschriebene mildtätige Handeln weit hinaus; in ihm vereinigen sich mehrere Traditionen. Der Philanthrop im altgriechischen Wortsinne war ein schlichter Menschenfreund, die Philanthropie die Menschenfreundschaft. Heute umfaßt der Begriff alles, was gesellschaftlich als nützlich und moralisch als geboten gilt. Der moderne Begriff der Philanthropie gewinnt jedoch an Konturen, wenn man seine historischen Wurzeln untersucht.