Profitables Wachstum in Familienunternehmen – Strategien im Zeitalter der Globalisierung
Heft 7 der Schriftenreihe des Instituts
Globalisierte Märkte fordern Wachstum – dem können sich Familienunternehmen auch mit noch so intelligenten Nischenstrategien nicht entziehen. Das stellt Unternehmensführung und Gesellschafter vor neue Herausforderungen. Ausgehend von dieser These wird in einem systematischen Aufriss vorgeführt, wie profitables Wachstum in Familienunternehmen verwirklicht werden kann, wobei Strategien, Kapitalbeschaffung und Risikostreuung im Mittelpunkt stehen.
Leseprobe
Wachstum als Ziel im Familienunternehmen
Fragt man Familienunternehmer, zumindest die geschäftsführenden, ob ihr Unternehmen wachsen soll, wird man in aller Regel auf erstaunte Gesichter treffen – natürlich wollen Familienunternehmen wachsen! Aber um welchen Preis? Das Unternehmenswachstum und die damit verbundenen Einschränkungen für die Anteilseigner, die Frage, wie Wachstum finanziert werden soll – und manchmal damit verbunden die Frage, ob ein Unternehmen überhaupt wachsen muß oder soll, sind Gegenstand vieler Gesellschafterversammlungen. Und sie geben oft genug Anlaß zum Streit. Wachstumsstrategien für Familienunternehmen werden in der Regel nur im Kontext der Unternehmensstrategie besprochen. Dabei wird übersehen, daß Wachstumsstrategien natürlich die privaten Interessen aller Gesellschafter berühren und mit diesen abgestimmt werden müssen.
Ist nun Wachstum das einzige oder das einzig richtige Ziel eines Familienunternehmens? Die Antwort ist durchaus nicht einfach und hängt stark davon ab, was die Gesellschafter vom Unternehmen erwarten und welche persönlichen Strategien sie verfolgen. Wachstum ist grundsätzlich kein obligatorisches Ziel deutscher Unternehmen: Staatlich oder kommunal beeinflußte Unternehmen haben andere Präferenzen, Kapitalgesellschaften, die der Mitbestimmung unterliegen und gewerkschaftlich beeinflußt sind, ziehen den Erhalt (deutscher) Arbeitsplätze vor, und bei vielen Beteiligungsgesellschaften steht eine möglichst hohe Kapitalrendite an erster Stelle. Diese Ziele sind prinzipiell auch ohne Unternehmenswachstum realisierbar.
Shareholder Value – ein Begriff nur für DAX-Unternehmen?
Börsennotierte Unternehmen hingegen leben vom Umsatzwachstum. In den Augen ihrer Aktionäre führt Umsatzwachs- tum zu Ertragswachstum und daher zu einer Steigerung des Unternehmenswertes – Unternehmen, die keine Wachstumsvisionen haben, werden an der Börse mit Abschlägen bestraft. Ein aktuelles Beispiel ist Altana. Hier haben Analysten lange auf ein klärendes Wort des Vorstandes pro Wachstum gewartet – und als dieses ausblieb, die Aktie von 52 auf 44 Euro abstürzen lassen. Das geschah, obwohl an der Qualität des Unternehmens kein Zweifel bestand: den Börsianern fehlte schlicht die plausible Story – ein Wachstumsszenario.
Denn Wachstum schafft tatsächlich Werte – das konnte an der Börse nachgewiesen werden: Adolf Coenenberg1 hat an amerikanischen Unternehmen gezeigt, daß die höchsten Wertsteigerungen bei Unternehmen mit hohem Umsatzwachstum und gleichbleibender Umsatzrentabilität erzielt wurden, die zweithöchsten bei Unternehmen mit Steigerungen in der Umsatzrendite, aber unterdurchschnittlichem Wachstum, und schlechte Wertsteigerungen wiesen Unternehmen auf, die ihre Umsatzzuwächse mit erodierenden Ergebnismargen erkauften. Das Bedürfnis der Aktionäre nach Wertsteigerung hat folglich den Begriff des Shareholder Value (und damit verbunden eine Vielzahl neuer Termini) popularisiert und zu der Forderung einer wert- und damit wachstumsorientierten Unternehmensführung geführt, die in den letzten Jahren immer mehr in den Mittelpunkt von Betriebswirtschaftslehre und Unternehmenspraxis gerückt ist: Was muß eine Unternehmensführung tun, damit der Börsenkurs und damit der Wert des Unternehmens steigt? Die Antwort lautet, das Controlling und die Unternehmensführung sollten nachhaltig profitables Wachstum fordern und fördern. Gleichzeitig wurde ein umfangreiches Instrumentarium wertorientierter Unternehmensführung – überwiegend für börsennotierte Unternehmen – entwickelt.
Gelten die Lehren börsennotierter Firmen aber auch für die Mehrzahl der Familienunternehmen? Diese werden selten an der Börse notiert – in Deutschland liegt ihre Zahl bei nur rund 800. Die Antwort lautet ja: werden Familienunternehmen gut und professionell geführt, wenden sie moderne Bewertungsverfahren in der Praxis an. So mißt und beurteilt die (börsennotierte) Douglas-Gruppe alle größeren Investitionen bezüglich ihrer Wertsteigerung am Kapitalmarkt, dem so genannten Douglas-Value-Added. Die nicht börsennotierte Dachser-Gruppe geht bei Investitionen nach dem EVA, dem Economic Value Added vor und legt seinen Gesellschaftern regelmäßig Rechenschaft über die Verzinsung des eingesetzten Kapitals ab.2 Aber leider haben diese Beispiele in der Breite bislang keine Schule gemacht – zu wenige Familienunternehmen nutzen die bei großen börsennotierten Publikumsgesellschaften entwickelten Steuerungsinstrumente und sind damit erfolgreich. Plausibel ist das nicht: Auch für die meisten Familienunternehmer sind Wachstum und Erfolg identisch – der Ausbau einer Marktposition ist gleichbedeutend mit einem Sieg, die Aufgabe eines Marktes mit einer Niederlage.
Das Fazit lautet also: Wachstum sollte für Familienunternehmen immer eine unternehmerische Zielsetzung sein, wenn sie aktiv am Markt tätig sind. Ist ein Familienunternehmen ausschließlich vermögensverwaltend tätig, können andere Ziele im Vordergrund stehen – z.B. der Vermögenserhalt. Ein aktives Unternehmen ist hingegen gut beraten, eine Wachstumsstrategie unter Einbeziehung modernster Methoden und Instrumente zu entwickeln: bei der Art des Wachstums, seiner Geschwindigkeit und seinem Ressourcenverbrauch.
Strategische Aufgaben im Familienunternehmen
Zusammengefaßt lauten die wichtigsten strategischen Fragen im Familienunternehmen, unter denen sich alle anderen Ziele subsumieren lassen:
Wie werden Wachstumsoptionen
- systematisiert,
- bewertet,
- finanziert,
- mit den Gesellschaftern abgestimmt und
- wie passen sie in die Vermögensstrategie der Gesellschafter?
Das sind die entscheidenden Aspekte einer Gesamtstrategie, die das Unternehmen und die Gesellschafter einbezieht. Alle anderen Themen der Unternehmensführung sind Fragen der operativen Effizienz, also solche, wie die Strategie im Unternehmen umgesetzt wird, wie exzellente Ergebnisse erwirtschaftet werden können, welche Personen dafür gebraucht werden und wie die Verantwortung von den Gesellschaftern an die verantwortlich Tätigen zu delegieren ist. Alle diese Fragen werden hier nicht behandelt – auch wenn sie das Tagesgeschäft in Familienunternehmen überwiegend bestimmen.
1 Adolf G. Coenenberg/Rainer Salfeld: Wertorientierte Unternehmensführung, Stuttgart 2003, S. 102 ff.
2 Ingo Böckenholt: Finanzmanagement in Familienunternehmen, FAZ, Nr. 1, 2.1.2006, S. 19.