Werdet ein Team! – Die Zusammenarbeit von Geschwistern im Familienunternehmen
Beziehungen zwischen Geschwistern zählen zu den längsten im Leben eines Menschen, außerdem sind sie emotional so intensiv wie ambivalent. Kommt zur familiären Verbindung noch das Eigentum an einem Unternehmen oder seine Führung in einem Team hinzu, stehen Geschwister vor einer Aufgabe, die ihnen niemand abnehmen kann – auch die Eltern nicht: Die Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit zu analysieren und zu organisieren, eine neue Form des Miteinanders zu schaffen, das eigenen Regeln gehorcht.
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Überschaubare Verhältnisse sind verführerisch
Beim Übergang zur Geschwistergesellschaft verführt die kleine Zahl der Beteiligten Unternehmerfamilien zu zwei Fehlern. Der erste ist: Nichts zu tun. Auch wenn in diesen Familien die Kinder zahlreicher sein mögen als in anderen, sind bei der Regelung der Nachfolge meist nicht mehr als vier bis sechs Akteure, die Eltern eingeschlossen, involviert. Da sich alle bestens zu kennen glauben, und auch die Rahmenbedingungen allgemein bekannt sein sollten, unterbleibt die explizite Verständigung. Dabei ist erstaunlich, wie vieles nur vermeintlich klar ist, was implizit vorausgesetzt wird und was schlicht und einfach tabuisiert wird. Sowohl die abgebende wie die übernehmende Generation macht gerne einen großen Bogen um heikle Fragen – Wie treffen wir zukünftig Entscheidungen? Was geschieht im Fall eines Patts? Wie gehen wir mit Mehrheitsentscheidungen um?
Um noch sehr viel mehr Details würde es bei der Abklärung der Rechte und Pflichten auf Eigentums- und Leitungsebene gehen: Wie sind die Aufgaben zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführung verteilt, was ist erlaubt, was nicht, was kann eine Seite erwarten, was kann sie fordern, was ist der anderen vorbehalten?
Nichts zu tun steht oft genug in einem mysteriösen Zusammenhang mit Fehler Nr. 2: Zu viel zu wollen. Zu ergänzen wäre noch: Und zu wenig zu regeln. Bei Familie Probst ist es das anspruchsvolle Modell einer Geschäftsführung im Team. Dabei sind die Voraussetzungen tadellos. An der Qualifikation der Kandidaten gibt es nichts auszusetzen. Formal und durch Karrieren bestätigt, präsentiert sich das Geschwistergespann glänzend – der Background mutet gar wie aus dem Bilderbuch an: Erfahrung aus der Branche hier und aus dem Consulting da – ein Dream-Team. Paul Probst freilich scheint dem Braten nicht völlig getraut zu haben. Allzu sorgfältig abgegrenzte Zuständigkeiten sind nicht unbedingt ein gutes Zeichen, sondern verweisen eher auf Defizite. Darauf wird noch einzugehen sein.
Kommunikation als Schlüsselkompetenz
Bei Familie Probst haben die Eltern offenbar stark darauf gesetzt, dass die Dinge sich schon irgendwie von selbst regeln werden, wenn die Beteiligungs- und Führungsnachfolge vollzogen sind. Es steht also zu vermuten, dass dem Versagen bei der Kooperation ein Defizit bei der Kommunikation vorausgegangen ist. Dieses Defizit dreht sich um die mangelnde Kompatibilität zweier Welten – hier die Familie, dort das Unternehmen, hier verwandtschaftliche Bindung und emotionale Nähe, dort Rationalität, Kompetenz, Entscheidungsstärke, Wettbewerb, Gewinndenken – und die Ressource, die am besten geeignet ist, die Komplexität der Beziehungen zu entlasten. Diese Ressource heißt Vertrauen.
Sollen diese Welten kompatibler werden, sollte eine Familie sich darauf vorbereiten und belastbares Vertrauen schaffen: Kommunikation und Offenheit sind dazu die Schlüssel. Das klingt wenig konkret und außerdem mit einigem Zeitaufwand verbunden. Dem ersten Einwand soll im Folgenden abgeholfen werden, der zweite stellt jedoch unbestreitbar eine Herausforderung dar: Zeit ist immer knapp, und zumal in einem Unternehmen fordert das Tagesgeschäft oft mehr als der Tag Stunden hat. Schlechte Voraussetzungen bereits für die Beschäftigung mit einer Unternehmensstrategie und noch schlechtere für Kommunikation und Offenheit.
Aus diesem Grund sollte das Modell einer Geschwistergesellschaft so früh als möglich diskutiert und einer Folgenabschätzung unterzogen werden. Vor allem kommt es darauf an, die künftige Eigentums- und Führungskonstellation ohne die Eltern zu denken. Werden wir miteinander klarkommen, wenn die Eltern nicht mehr sind? Wenn niemand erklärt, vermittelt, Streit schlichtet, bei Entscheidungen den Ausschlag gibt?
Genau darin besteht die Emanzipation der Kinder von den Eltern, genau das begründet eine mündige Geschwistergesellschaft, genau das ist bei Familie Probst schiefgelaufen: Das Modell funktionierte zunächst dank des Vaters, der formal nicht mehr am Unternehmen beteiligt, aber als früherer Eigentümer in seiner Beraterrolle legitimiert war. Der Emanzipationsversuch der Tochter nach seinem Tod scheiterte an der Machtübernahme durch die Mutter. Das Beispiel ist übrigens in zweierlei Hinsicht alles andere als lebensfern. Die Macht in einer Unternehmerfamilie ist nicht zwingend rechtlich begründet. Der zweite Aspekt mutet merkwürdig an, wird aber durch die Erfahrung erstaunlich oft bestätigt: Die Willensbildung in Geschwistergesellschaften ist auch durch das Geschlecht determiniert. Brüder solidarisieren sich häufiger mit Brüdern und Schwestern mit Schwestern.