Wie Unternehmen ESG mit der richtigen Strategie jetzt als Chance nutzen können!

Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und die Einsicht in das Notwendige – Stichwort Klima – hat Veränderungen angestoßen, die in der Unternehmenswelt unter dem Kürzel ESG zusammengefasst werden. Wirtschaftliches Handeln wird an Nachhaltigkeitskriterien ökologischer und gesellschaftlicher Standards sowie Prinzipien der Unternehmensführung gebunden. Felix. A. Zimmermann zeigt, was sich hinter dem Thema ESG im Einzelnen verbirgt, warum es für Unternehmen relevant ist, wie es die Risikolandschaft verändert, aber auch Chancen bietet.

 

Leseprobe

Einführung

In der momentanen politischen und wirtschaftlichen Lage stehen verständlicherweise andere Themen als ESG (Abkürzung für: Environmental, Social und Governance) im Vordergrund des Unternehmensalltags. Dennoch bleibt der angestrebte und notwendige Umbau der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit in einem Gleichgewicht von ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen (ESG) eine der zentralen Herausforderungen für die Unternehmen in den kommenden Jahren. Viele Unternehmen wissen aber aufgrund der hohen Komplexität des Themas, bestehender Informationsdefizite und nicht vorhandener Kapazitäten und Kompetenzen gar nicht, wie sie die Herausforderung ESG strukturiert angehen sollen. Im vorliegenden Beitrag soll daher zunächst beschrieben werden, was sich hinter dem Thema ESG verbirgt. Darauf aufbauend wird erläutert, welche Chancen und Risiken sich aktuell für die Unternehmen daraus ergeben, und wie sie pragmatisch eine fokussierte ESG-Strategie entwickeln können, um damit aktiv die großen unternehmerischen Chancen des anstehenden Umbaus der Wirtschaft nutzen zu können. Und schließlich wird der Frage nachgegangen, wie Eigentümer und Beiräte zum Erfolg des notwendigen Umbaus ihrer Unternehmen beitragen können.

Warum ist ESG für Unternehmen relevant?

UNTERNEHMEN ALS TREIBER FÜR MEHR NACHHALTIGKEIT

Im Rahmen der notwendigen Transformation zu mehr Nachhaltigkeit wird den Unternehmen eine zentrale Rolle als Transmissionsriemen zugewiesen. Nur mit der Aktivierung ihrer Innovationskraft hinsichtlich neuer Produkte, Prozesse und Dienstleistungen können die Veränderungen erreicht werden, die z. B. notwendig sind, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Dazu bedarf es der Mobilisierung der marktwirtschaftlichen Kräfte innerhalb eines verlässlichen Ordnungsrahmens, um im Wettbewerb als Entdeckungsverfahren die jeweils nachhaltigste Lösung zu finden und zu nutzen. Dazu gehört grundsätzlich auch Technologieoffenheit und das Setzen von ordnungskonformen Anreizen.

Aber auch in den Bereichen Social und Governance kommt den Unternehmen eine besondere Verantwortung hinsichtlich einer nachhaltigen Unternehmensführung zu. Hier sind z. B. die Herstellung von Chancengleichheit und die Schaffung sicherer Arbeitsbedingungen oder auch ein funktionierendes Risikomanagement und Compliance-System bzw. ein Bekenntnis zur Antikorruption und einer klaren Unternehmensethik als Handlungsfelder zu nennen.

Da allerdings bisher das Verhalten der Unternehmen und die marktwirtschaftlichen Kräfte nicht zur gewünschten Wirkung geführt haben, hat die EU auf Grundlage ihres Aktionsplanes ein regulatorisches Rahmenwerk entwickelt, welches auf die Unternehmen erhebliche Auswirkungen hat.

REGULATORISCHE ANFORDERUNGEN SIND KONKRET

Das Umlenken der Kapitalströme in nachhaltige Investitionen wurde zum einen durch die sog. Sustainable Finance Reporting Directive (SFRD) der EU und zum anderen durch den Leitfaden für Kreditgeber durch die EZB im Oktober 2020 angestoßen. Damit wird den Kapitalanlagegesellschaften und Banken eine zentrale Transmissionsrolle beim Umbau der Wirtschaft zugeteilt.

Die SFRD definiert klare Anforderungen an die Kapitalanlagegesellschaften, in welcher Form sie Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Anlagestrategien einzubeziehen haben und wie sie darüber Transparenz gegenüber ihren Kunden herstellen müssen. Das hat einen spürbaren Einfluss auf die Informationsbedürfnisse der Investoren und deren Anlageentscheidungen. Der Leitfaden für Kreditgeber weist hingegen den Geschäftsbanken eine zentrale Rolle bei der Erreichung der Klimaziele zu. Bei der Vergabe von Krediten müssen die Banken Klima- und Umweltrisiken berücksichtigen und darüber an die EZB berichten. Diese Maßnahme beeinflusst die Rahmenbedingungen der Fremdfinanzierung der Unternehmen erheblich, da sie unmittelbar Eingang in das Rating der Unternehmen findet. Die eingegangenen Klimarisiken sind Bestandteil des durch die EZB durchgeführten Stresstests der Banken, wodurch die Banken unter erheblichen Zugzwang gesetzt werden.

Warum ist ESG eine Chance für Unternehmen?

MEHR WACHSTUM

Mit der steigenden Bedeutung von ESG entstehen für Unternehmen bedeutende Wachstumsoptionen. Neue Produkte und Geschäftsmodelle, die den Anforderungen der Nachhaltigkeit gerecht werden, eröffnen neue Märkte und die große Chance, sich zu differenzieren und dauerhafte Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Dabei ist zu beobachten, dass die Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Lösungen und Produkte bei den Unternehmen und auch bei den Endkunden ansteigt. Die Anforderungen an Lieferanten steigen in jedem Falle spürbar und Unternehmen, die sich ESG-konform aufstellen, können bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand und großer Unternehmen punkten.

GERINGERE KOSTEN

Eine gezielte Umsetzung der ESG-Anforderungen eröffnet die Chance, Kosten merklich zu senken. Eine Reduktion und Optimierung des Ressourcenverbrauchs (z.B. Rohstoffe, Energie und Verpackungen) durch Effizienzsteigerungen und die Einführung von Kreislaufkonzepten kann nach anfänglichen Investitionen auf mittlere Sicht den Materialeinsatz spürbar senken. Ferner kann eine umfassende Digitalisierung des Geschäftsmodells zu deutlichen Effizienzgewinnen führen. Ebenfalls können die Finanzierungskosten durch die Befolgung der ESG-Anforderungen spürbar gesenkt werden. Und schließlich erhöht ein glaubwürdiges Nachhaltigkeitskonzept das Unternehmensimage sowie die Kundenbindung, was sich wiederum positiv auf die Vertriebseffizienz auswirkt.

ERFOLGREICHE TALENTGEWINNUNG

Die Ansprüche der Bewerber an ihren Arbeitgeber hinsichtlich eines sinnvollen Unternehmenszwecks und der gelebten Verantwortung gegenüber der nächsten Generation steigen spürbar an. Wer hier im Wettbewerb zu anderen Unternehmen nicht ein klares und gelebtes Konzept vorweisen kann, wird nicht die Talente gewinnen können, die für die Ausrichtung des Unternehmens an den Anforderungen der Zukunft notwendig sind. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass die Mitarbeiterzufriedenheit und -identifikation sowie die Motivation bei innovativen und nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen deutlich höher ist, was wiederum die Fluktuation reduziert und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter positiv beeinflusst. Das gilt selbstverständlich auch für Führungskräfte.

UNTERNEHMENSWERTSTEIGERUNG

Eine gute Nachhaltigkeitsstrategie im Sinne der ESG-Kriterien hat ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der wesentlichen Wert- und Wachstumstreiber und damit auf den Unternehmenswert. So hat sich der Wert börsennotierter Gesellschaften, die eine überzeugende ESG-Strategie verfolgen, in den letzten Jahren deutlich besser entwickelt als der Wert derjenigen Gesellschaften, die hier noch Defizite aufweisen. Und in der jüngsten Krise ist deutlich geworden, dass nachhaltig wirtschaftende Unternehmen in der Regel deutlich widerstandsfähiger sind. Im Falle von Unternehmenstransaktionen ist zu beobachten, dass fehlende ESG-Strategien und Konzepte mittlerweile zu erheblichen Abschlägen bei den Bewertungen führen.