Zwischen Solidarität und Wettbewerb – Geschwister in Familienunternehmen

Heft 10 der Schriftenreihe des Instituts

Das konstruktive Miteinander in der Geschwistergesellschaft ist die Voraussetzung für den langfristigen Erhalt des Unternehmens im Eigentum der Familie. Bei der Gestaltung der Nachfolge ist die Thronfolge nicht mehr der Regelfall. Im Gesellschafterkreis, zwischen Tätigen und Nichttätigen und in Geschäftsführungsteams kommt es häufig zu Rivalitäten. Anhand von Fallbeispielen werden typische Konflikte und Wege, wie sie gelöst werden können, vorgeführt.


Leseprobe
 

I. Familie und Unternehmen
Damit eine so anspruchsvolle Lösung wie die Geschwistergesellschaft funktioniert, bedarf es freilich Eltern, die vorausschauend planen und ihre Kinder auf das vorbereiten, was ihnen bevorsteht. Das gute Einvernehmen stellt sich wie gesagt nicht von selbst her, und besonders kritisch wird es, wenn der Unternehmer die Nachfolge nicht als solcher, sondern als Vater regelt. In diesem Fall dominiert das System Familie das System Unternehmen, wovon weder dieses noch jenes etwas hat. Wenn ein Vater seine Kinder zusätzlich in einen Wettbewerb um die Führungsrolle treibt und bei ihrer Gestaltung die Konsequenz der Thronfolge vermeidet, erweist er seinen Kindern einen Bärendienst. Wer unterliegt, wird die Kooperation instinktiv verweigern.

Die Gartenmarktkette Färber ist ein regional starker Anbieter im Umland von Hamburg. Friedrich Färber, der Senior, ist ein typischer Selfmademan. Er hat das Unternehmen aus bescheidenen Anfängen zu beträchtlicher Größe entwickelt und ihm seinen Stempel aufgedrückt.

Und er hat große Pläne. Seinem ältesten Sohn Folke traut er zu, das Unternehmen groß zu machen – weit über die Grenzen der Region hinaus. Seine drei Kinder hat er mit harter Hand erzogen – Sport wurde groß geschrieben. Wer sich im Tennis durchsetzte, dem war das Lob des Vaters gewiss. Unter den Geschwistern herrscht ein forscher Ton. Niederlagen und Blamagen reizen die Spottlust – sogar vor Dritten sind gar nicht so freundliche Bloßstellungen an der Tagesordnung. Folke und seine Schwester Fia verstehen sich in dieser Hinsicht prächtig. Fia ist die Älteste, mit einem wohlhabenden Arzt verheiratet und sehr extrovertiert; sie kümmert sich intensiv um die Eltern, denen sie aufs gesellschaftliche Parkett der Hansestadt verholfen hat und der Firma zu manchem solventen Kunden. Folke hat eine multinationale Ausbildung als Betriebswirt/MBA und macht Karriere bei einem Chemie-Multi. Der Vater möchte bei dem Eintritt Folkes ins Unternehmen noch geraume Zeit das Gegengewicht zu dessen Ungestüm bilden, bevor er diesen Part dem jüngsten Sohn Florian überlässt. Diesen glaubt Folke in einer Teamgeschäftsführung wie schon beim Tennis jederzeit im Griff zu haben. Florian ist das Nesthäkchen: zielstrebig, bescheiden und fleißig. Nach seinem Diplom als Landschaftsarchitekt ist er mit diesen Eigenschaften wie von selbst zur rechten Hand des Vaters geworden. Bei den Mitarbeitern ist er bestens angesehen, sein Vater schätzt ihn als fleißigen Arbeiter und zuverlässigen Umsetzer.

Eine schwere Erkrankung des Seniors stößt dessen Nachfolgepläne um. Ein Gegengewicht zu Folke wird er nicht mehr bilden können – nun setzen er und seine Frau Flora auf eine vermeintlich sichere Karte: schon immer sollten alle Kinder gleich am Unternehmen beteiligt werden, jetzt aber soll der bereits bewährte Florian die operative Führung übernehmen, da sich das Unternehmen nach der regionalen Expansion in einer Konsolidierungsphase befindet. Die Heterogenität der zukünftigen Gesellschafter schätzt der Vater als Vorteil ein: „Auf die Summe kommt es an, die Unterschiede balancieren sich.“ Florian ist nach seinem neuen Plan der Mann an der Front, Folke bringt als Gesellschafter die Ideen, Fia ist das Aushängeschild. Es kommt zum Eklat: Florian verlangt eine Mehrheitsbeteiligung, um handlungsfähig zu sein, Folke ist wütend, weil er sein Talent nicht gewürdigt findet, und weder er noch Fia trauen Florian die Expansion des Unternehmens zu, wie sie ihnen vorschwebt. Der Vater will seine Lösung um jeden Preis durchdrücken. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr.

In dieser Zwangssituation ist das eine schwierige Aufgabe. Florian wird seinen Platz an der Sonne kaum genießen können – seine Geschwister werden ihm in den Gesellschafterversammlungen zeigen, wer die Mehrheit und damit die Macht hat. Keines der Geschwister ist auf die neue Situation vorbereitet, weder Brüder noch Schwester sind kooperationsfähig oder auch nur -willig.

Eine Chance hat der Vater nur, indem er versucht, in der verbleibenden Zeit das nachzuholen, was er bis dahin versäumt hat: die neue Situation zu erklären und um Verständnis zu werben. Denn so falsch liegt er mit seiner Einschätzung nicht, dass die Geschwister – könnten sie sich denn auf eine Zusammenarbeit verständigen – mit ihren jeweiligen Stärken ein starkes Team ergäben. Folkes Lebensperspektiven wären auch jetzt zumindest für eine gewisse Zeit, vielleicht auch auf Dauer andere, aber keine schlechten. Fia war ohnehin keine operative Tätigkeit zugedacht, und nach Lage der Dinge ist Florian eine gute Wahl für die operative Führung.

Das aber wird der Vater nicht als einsamen Entschluss durchdrücken können.